Zwischen der Neubausiedlung am Käthe-Kollwitz-Weg und dem Verwaltungsgebäude der Barmer GEK verläuft ein unbefestigter Fußweg, der sogar einen amtlichen Straßennamen besitzt: Obere Böhle.
Man sieht es ihm nicht an, aber die Obere Böhle war jahrhundertelang die wichtigste Straße in unserem Bereich.
Dieser Weg, abschnittsweise ein Hohlweg, ist älter als der Böhler Weg und sehr viel älter als die Lichtscheider Straße / L418, über die heute der Hauptverkehr in Richtung Cronenberg verläuft. Es handelt sich um den alten Kohlenweg, der von der Heckinghauser Zollbrücke über die Barmer Südhöhen nach Cronenberg verlief.
Über den Kohlenweg wurde in der frühen Neuzeit bis in das 19. Jahrhundert Steinkohle aus dem Sprockhöveler und Wittener Raum zu den Hammerschmieden an den Bächen des Wupperraums transportiert. Südlich der Ruhr begann ab dem 14./15. Jahrhundert der Abbau von Steinkohle, da dort die Flöze bis an die Oberfläche ausstreichen und daher früh mit einfachen Mitteln abgebaut werden konnten.
Im gleichen Zeitraum begann an den Bächen des Wupperraums, insbesondere in Solingen, Remscheid und Cronenberg (hier vor allen im Gelpetal und am Morsbach), die protoindustrielle Verarbeitung von Eisen.
Standortbedingt gab es hier sehr gute Bedingungen für die Stahlwerkzeugproduktion, namentlich reichlich vorhandene Wasserkraft für den Antrieb von Hammerwerken und Blasebälgern, großflächige Waldgebiete für die Holzkohleproduktion und in geringem Maße auch abbauwürdige Eisenerzgänge. Das Roheisen wurde aber hauptsächlich aus dem Erzrevier des Siegerländer Raums über sogenannte Eisenstraßen hierher transportiert.
Diese Protoindustrie führte im Laufe der Zeit zu Spezialisierung einzelner Gewerke, die einen immer höheren Bedarf an Brennstoffen für die Schmiedefeuer benötigten. Die zahlreichen Schmieden, Reckhämmer, Raffinierhämmer, Sensenhämmer, Breithämmer, Schwanzhämmer, uswusf. an den Bächen benötigten soviel Brennmaterial, dass gegen dem 18. Jahrhundert fast alle Wälder im Wupperrraum abgeholzt, zu Holzkohle verkohlt und verfeuert wurden. Hochwälder, wie wir sie heute kennen, gab es nicht mehr. Man sprach auch von dem Bergischen Busch für das verbliebene Niederholz und Strauchwerk, dass auf den weiten Rodungsflächen wuchs.
Als Alternativbrennstoff bot sich schließlich Steinkohle an, aber auch diese war, wie das Roheisen, nicht Vorort vorhanden und musste hierhin transportiert werden. Dies geschah über sogenannte Kohlenwege oder Kohlenstraßen.
Selbstständige Kohlentreiber kauften von den Bergwerken das schwarze Gold, transportierten es auf Packpferden säckeweise zu den Hammerschmieden und verkauften es dort an die Abnehmer. Auch Karren kamen zum Einsatz, die bei der regen Nutzung die Ausbildung von tief eingeschnittenen Hohlwegen förderten, die teilweise noch heute in der Landschaft erkennbar sind. Ab dem 19. Jahrhundert wuchs der Bedarf an Kohlen immens an, da immer mehr Dampfmaschinen befeuert werden mussten, die Transportleistungen stiegen gleichermaßen massiv an.
Es gab vor dem Eisenbahnbau (die Strecken aus Essen, Hattingen und Witten wurden ebenfalls als Kohletransportstrecken konzipiert) mehrere Kohlenstraßen innerhalb des heutigen Wuppertals, die sich sämtlich aus Richtung Sprockhövel der Stadt näherten und in Nächstebreck in verschiedene Streckenäste zu den Produktionsstandorten verzweigten.
Der Kohlenweg nach Ronsdorf und Cronenberg führte von der heutigen Schmiedestraße (Sic!) hinab in das Wuppertal, wo der Fluß auf der Heckinghauser Zollbrücke überquert wurde. Die Zollbrücke hat ihren Namen daher, da hier ein Grenzübergang von der seit 1609 zum Königreich Preußen gehörenden Grafschaft Mark zum Herzogtum Berg war. Zoll bezog sich aber nicht nur auf Einfuhrzölle, sondern zuvorderst auf die Wege- und Brückenmaut, die auch Zoll (Wegezoll, Brückenzoll) genannt wurde.
Von dort stieg der Weg den Hang hinauf und führte am heutigen Toelleturm vorbei. Noch heute sind neben der Herman-Löns-Straße tiefe Hohlwegspuren vorhanden. Über die Trasse der heutigen Wettinerstraße verlief der Weg zum Lichtenplatz, wo er sich verzweigte. Ein Ast führte über den heutigen Schliemannweg und Staubenthaler Höhe nach Ronsdorf, wo bei Rädchen ein Streckenabschnitt in Form eines Hohlwegs als Bodendenkmal unter Schutz gestellt wurde.
Der andere Ast Richtung Cronenberg verlief über die heutige Müngstener Straße und eben die Obere Böhle zur Hofschaft Kapellen und dann auf der Trasse der heutigen L418 weiter zu den Hammerschmieden in den Cronenberger Bachtälern – unter anderen auch zu den Halbach’schen Hammerwerken am Zusammenfluß von Morsbach und Wupper in Müngsten (womit auch geklärt ist, warum die Müngstener Straße so heißt wie sie heißt).
Wie alt ist der Kohlenweg? Ich weiß es nicht. Aber auf der Elberfelder Gemarkenkarte des Johann von der Waye aus dem Jahr 1609 ist der Weg und der ihn sperrende Landwehrschlagbaum bei Freudenberg bereits eingezeichnet. Die Beschriftung am (Lackbaum) Schlagbaum lautet auf dieser Karte Kolstras auf dem Barmen nach Cronenbergh.