Das Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager am Bergfrieden

Am oberen Ende des Bergfrieden schließt sich die Spielwiese der CVJM Bildungsstätte an der Bundeshöhe an. Die Straße geht am letzten Haus (Nr. 32) in einen Fußweg über, der zwischen der Spielwiese und einem kleinen Abhang verläuft. Am Fuß des Abhangs befindet sich ein planes Geländes, das immer mehr vom angrenzenden Wald erobert wird. Das Gelände wird durch einen zweiten Weg, der im Sommer durch Bewuchs fast unpassierbar ist, in zwei Hälften geteilt. Der nördliche Bereich wurde aufgeschüttet und fällt seinerseits mit einem kleinen Abhang zum Wald hin ab.

Dieses Gelände war in der Zeit des Nationalsozialismus unter dem Namen „Lager Bundeshöhe“ ein Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager der Firma Vorwerk & Sohn.

Zwangsarbeiterlager Bergfrieden
Das Gelände des Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlagers.

Die Gummifabrik Vorwerk & Sohn auf Lichtscheid stellte mit Beginn des zweiten Weltkriegs fast seine gesamte Produktion auf Rüstungsgüter um. Gefertigt wurden unter anderem Gummisohlen für Soldatenstiefel, Pflaster und Schnellverbände, Vollgummireifen für Geschütze, Kettengummipolster für Panzer, Schläuche für den Wehrmachtbedarf, Komponenten für den Gasschutz und Reifen für schwere Wehrmachtsfahrzeuge. Da zahlreiche Stammarbeiter bereits ab 1938 unter anderem für Arbeiten an dem sogenannten Westwall und später als Soldaten dienstverpflichtet waren, konnten mit der verbleibenden Belegschaft nicht mehr die anstehenden Aufträge erfüllt werden.

Die Britische Ordonance Survey Map Wuppertal von 1945. Das Barackenlager am Ende des Bergfriedens ist ebenso eingezeichnet wie das neue Werkslager an den Oberbergischen Straße / Lichtenplatzer Straße gegenüber dem Vorwerk & Sohn Gummiwerks.
Die Britische Ordonance Survey Map Wuppertal von 1945. Das Barackenlager am Ende des Bergfriedens ist oben links ebenso eingezeichnet wie das neuere Werkslager an den Oberbergischen Straße / Lichtscheider Straße gegenüber dem Vorwerk & Sohn Gummiwerks.

Anfang 1940 meldete die Firma, unterstützt durch die IHK, einen Bedarf an 350 bis 400 zusätzlichen Arbeitskräften an. Ab 1941 wurde die verbliebene Belegschaft mit ausländischen Arbeitern und Kriegsgefangenen ergänzt, deren Zahl bis 1944 auf gleichzeitig 541 Personen stieg.

Bei den ausländischen Arbeitern handelte es sich zu Anfang um 97 freiwillige Arbeitskräfte aus Belgien und den Niederlanden, die ab Mai 1941 in dem Betrieb beschäftigt wurden. Hinzu kamen aber auch bald zwangsverpflichtete Franzosen, Polen und polnische Kriegsgefangene, die aber bald wieder repatriert wurden. Ab 1942 wurden je nach Erfassungsdatum neben Personen anderer Nationalität zusätzlich bis zu 333 russische Zwangsarbeiter, Männer wie Frauen,  sowie zwischen 100 und 150 russische Kriegsgefangene in der Gummiproduktion eingesetzt.

Erhaltene Grundmauern einer Baracke.
Erhaltene Grundmauern einer Baracke.

Konnte man anfangs die Fremdarbeiter zunächst noch in eigenen Räumlichkeiten mehr schlecht als recht unterbringen, reichten die eigenen Kapazitäten im Werk und in firmeneigenen Gebäuden in der Barmer Innenstadt für die wachsende Anzahl von Personen nicht aus. Dazu wurde es von offizieller Seite nicht gerne gesehen, wenn die Fremdarbeiter mit der Straßenbahn vom Werth nach Lichtscheid hinauffuhren, zu Fuß dauerte der Arbeitsweg aber hin sowie zurück jeweils mehr als eine Stunde bei 60 Wochenstunden Arbeitszeit (die galten aber unterschiedslos auch für die deutsche Belegschaft).

Es wurde daher bei der Bundeshöhe auf einer von dem Westdeutschen Jungmännerbund (=CVJM) angemietete Fläche zwischen den Straßen Bergfrieden und Am Dausendbusch ein Barackenlager eingerichtet, in dem zunächst rund 100 Personen untergebracht wurden.

Grundmauern eines zerfallenen Gebäudes im Barackenlager
Grundmauern eines zerfallenen Gebäudes im Barackenlager.

Bewacht wurden die Kriegsgefangenen unter den Lagerbewohnern von zwei Wehrmachtsangehörigen. Die freiwilligen Fremdarbeiter und Zwangsarbeiter trugen Zivilkleidung und durften abends und sonntags das Lager verlassen, die Kriegsgefangenen trugen Uniformen und blieben eingesperrt.

Mit steigender Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenzahl reichte auch mit diesem Lager die Kapazität aller Unterkünfte 1942 nicht mehr aus und Vorwerk ließ an der Ecke Oberbergische Straße / Lichtscheider Straße (heute vom Bauhaus-Baumarkt überbaut) ein werknäheres und größeres Barackenlager erbauen, wobei unter Kriegswirtschaft stehend erheblicher Überzeugungseinsatz durch die Firmenleitung für die Bereitstellung des Materials und der zur Erbauung notwendigen Arbeitskräfte notwendig waren.

Man plante bis zu 1000 Zwangsarbeiter im Werk einzusetzen, baute entsprechend großflächig 17 Baracken und reservierte ein Erweiterungsgelände. Bei den Luftangriffen auf Barmen vom 29. auf den 30. Mai 1943 wurde das frisch errichtete neue Lager aber zu 90% zerstört (auch das Werk erlitt große Schäden), so dass diese hochfliegenden Pläne zu den Akten gelegt werden und das Lager am Bergfrieden länger als geplant genutzt werden musste.

Grundmauern eines festen Gebäudes auf dem Gelände.
Grundmauern eines festen Gebäudes auf dem Gelände.

Nach Wiederherstellung des Firmenlagers an der Oberbergischen Straße wurden die Vorwerkzwangsarbeiter in das neue Lager umgesiedelt. Die Vereinigung Wuppertaler Kohlenhändler e.V. (Verband von ca. 65 Einzelfirmen) übernahm das Lager am Bergfrieden und betrieb es ab 1944 zusammen mit den der Brotfabrik Michel aus Ronsdorf und der Firma Wachs & Asmann als Gemeinschaftslager. Es wurden dort von diesen Firmen 1944 zusammen 84 polnische Zwangsarbeiter und sechs Ostarbeiter einquartiert.

Luftbild aus dem Jahr 1937
Luftbild aus dem Jahr 1937. Das Zwangsarbeiterlager scheint noch wenig bebaut.

Während das große Vorwerklager an der Oberbergischen Straße in der Nachkriegswohnungsnot als Wohnbarackenlager für ausgebombte deutsche Werksarbeiter ein paar Jahre nachgenutzt wurde, ist mir die konkrete Nachnutzung des Lagers am Bergfrieden nicht bekannt. In Karten sind die Baracken noch bis in die 1960er Jahre eingezeichnet, ein letztes Barackengebäude mit der postalischen Anschrift Bergfrieden 44 bestand mindestens bis in die 1970er Jahre. Sie wurden irgendwann alle bis auf die Grundmauern abgetragen und vorhandene unterirdische Kammern oder Keller verfüllt. Spuren der Nutzung des Geländes sind aber noch heute zu finden.

Das Gelände 1975. Nur ein Gebäude ist erhalten, Bergfrieden 44.
Das Gelände 1975. Nur ein Gebäude ist erhalten, Bergfrieden 44.

Wer etwas darüber weiß, bitte bei mir melden.

Literatur: Florian Speer: Ausländer im ‚Arbeitseinsatz‘ in Wuppertal. Zivile Arbeitskräfte, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg. Wuppertal 2003, ISBN 3-87707-609-2, S. 373ff, S. 570

 

2 Gedanken zu „Das Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager am Bergfrieden“

  1. ist mir die konkrete Nachnutzung des Lagers am Bergfrieden nicht bekannt. …..
    Ich hoffe, dass ich etwas zur Klärung beitragen kann:
    Hier waren Vertriebene aus dem Osten untergebracht; m.W. bis in die 60/70-er Jahre; ich schätze bis zur Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung in Wuppertal nach dem Krieg; auch auf der linken Straßenseite des Böhler Wegs (von unten gesehen), also gegenüber den Vorwerkhäusern waren einfache Baracken aufgebaut;
    Gruß aus der Nachbarschaft

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