Hinweis: Diesen Beitrag hatte ich schon 2016 verfasst aber aufgrund von damals nicht in letzter Konsequenz belegbaren Tatsachenbehauptung nicht veröffentlicht. Mittlerweile (2019) haben offiziellen Stellen der Stadtverwaltung Wuppertal (Oberbürgermeisteramt/Untere Umweltbehörde) nach einer Bürgerversammlung mit Teilnahme der obersten Stadtspitze, auf der meine Rechercheergenisse von mir vorgetragen wurden, alles im Kern bestätigt.
Gegenüber der Einmündung des Bergfriedens in den Böhler Weg führt eine Treppe mit 89 Stufen hoch zur Oberen Böhle und zur Lichtscheider Straße.
Diese Treppe bindet unsere Siedlung fußläufig an die Bushaltestelle Kapellen an der Lichtscheider Straße an und wird täglich häufig genutzt. Erklimmt man die Treppe, liegt linkerhand die Siedlung am Käthe-Kollwitz-Weg, deren letzte Häuser unmittelbar an die Treppe angrenzen. Rechterhand befindet sich oberhalb des Hofs Dausendbusch ein kleines, hügeliges Waldgelände mit altem Baumbestand.
Wie man auf alten Karten sehen kann, befand sich dort einst kein Hügel, sondern im Gegenteil ein Steinbruch, durch den sich lange vor der Treppe ein Serpentinenweg vom Böhler Weg hoch zur Lichtscheider Straße zog.
Dieser Steinbruch wurde mit dem Brandschutt – Trümmer und zerstörtes Material – eines Feuers in der Gummifabrik Vorwerk & Sohn verfüllt. Der zweistufige Hügel im heutigem Gelände ist nichts anderes als die aufgeschütteten Altlasten des Brandereignisses.
In der Weihnachtsnacht 1934 zerstörte ein Großbrand die Lagerhallen des Gummiwerks der Firma Vorwerk & Sohn an der Oberbergischen Straße, zu der Zeit schon ein Großbetrieb mit 750 Mitarbeitern am Standort. Obwohl die Werksfeuerwehr und hinzugezogene Barmer und Ronsdorfer Einheiten den Brand nach einiger Zeit unter Kontrolle brachten, waberte der Gestank von verbrannten Gummi noch tagelang um Lichtscheid herum.
Die Versicherung zahlte schnell und rasch begann der Wiederaufbau. Aber wohin mit dem Brandschutt? Der Firma gehörten zahlreiche Liegenschaften bei Lichtscheid, unter anderem auch das gesamte Gelände, wo sich heute die Baumärkte, die die Barmer GEK und die Siedlung am Käthe-Kollwitz-Wegs befinden – das alles waren Vorwerk Liegenschaften, die nach und nach veräußert wurden. Und es lag nahe den Brandschutt auf dem eigenen Gelände oder im Nahbereich zu deponieren.
Meinen Recherchen nach wurden drei Orte für die Deponierung verwendet: Zwei Steinbrüche an der Oberbergischen Straßen und der Steinbruch am Böhler Weg. Das Deponiegut in den Steinbrüchen an der Oberbergischen Straße soll in den 1950er Jahren wieder abgefahren worden sein, das in dem Steinbruch am Böhler Weg verblieb bis heute.
Letztes Jahr stellte ich eine Anfrage an die Firma Vorwerk & Sohn, Abteilung Vorwerk Drivetec auf Lichtscheid, ob dieses Deponiegrundstück (Flurstück 427, Gemarkung 3001 Barmen) am Böhler Weg im Eigentum des Unternehmens sei. Diese Frage wurde negativ beantwortet, so dass die Eigentümerschaft zu dieser noch offen blieb. Wie gesagt, die unmittelbar angrenzenden Liegeschaften der heutigen Siedlung am Käthe-Kollwitz-Weg waren im Besitz der Firma.
Als einige Zeit dort ein paar Bäume gefällt und abtransportiert wurden, erkundigte ich mich bei dem die Tätigkeit ausführenden Unternehmer nach seinem Auftraggeber. Er gab an selbsttätig mit Erlaubnis eines Frankfurter Büros der Firma Vorwerk zu handeln – ich vermute darin ein eigenständiges Unternehmen der Immobilien- und/oder Vermögensverwaltung innerhalb des komplexen Konzerngeflechts. Formal mag die Antwort der Abteilung Drivetec der Firma Vorwerk & Sohn auf die Frage nach der Eigentümerschaft wohl korrekt sein, aber sie war wohl auch nicht die ganze Wahrheit.
Wer das Gelände oberflächlich untersucht, wird an der westlichen Hangseite mit bloßen Auge erkennen können, dass die dünne Deckschicht aus Humus stellenweise erodiert ist und das Deponiegut an der Oberfläche frei liegt. Wie man erwarten konnte, handelt es sich um brandschwarzes Material, das von angebrannten Gummiresten durchsetzt ist. Dicke Kautschuk- oder Gummiklumpen liegen solitär im Gelände herum.
Bei Niederschlägen kann es nicht ausgeschlossen werden, dass weiteres Material davon den Hang hinab gespült wird und letztlich im Bendahler Bach landet, der unterhalb der Erosionsstelle seinen Quellbereich hat.
Wie soll man diese Altlastendeponie und deren Gefährdungspotential für Anwohner und Umwelt einschätzen? Was können für potentiell umweltgefährdende Stoffe dort gelagert sein? Sind diese dort hinreichend gegen Kontamination der Umwelt gesichert? Geht von dort eine Gefahr für die Gesundheit der Menschen aus, deren Häuser und Grundstücke unmittelbar zu zwei Seiten an das Deponiegelände angrenzen?
Was bei der Verbrennung von Kautschuk- und Gummiprodukten für Schadstoffklassen entstehen, ist einerseits durch Untersuchungen hinreichend bekannt, hängt aber im konkreten Fall stark von den verwendeten Zusatzmaterialien wie chemische Stabilisatoren, Füllstoffen, Additive (z.b Farbstoffe) und Antioxidantien ab. Dort produzierte Endprodukte könnten Verbundwerkstoffe gewesen sein, die Zink, Blei, Kadmium sowie komplexe aromatische Verbindungen beinhalten.1)
Bei der Verbrennung von reinen Naturkautschuk entstehen üblicherweise karzinogene polycycliche aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).
Darüber hinaus entstehen bei der Verbrennung von Kunstkautschuk weitere Schadstoffklassen. Möglicherweise können auch noch Dioxin und Phosgen entstanden sein, je nachdem ob in der Fabrik nur Naturkautschuk oder auch Buna (Styrol-Butadien-Kautschuk) oder halogeniertes Gummi (Chloroprenkautschuk und Halobutyl) verarbeitet wurden. Da aber meines Wissens die Verarbeitung von Kunstkautschuk erst im Jahr nach dem Brand bei Vorwerk & Sohn begonnen wurde, ist die Wahrscheinlichkeit dafür aber gering.
Allerdings ist es unter Schadstoffexperten gemeinschaftlicher Konsens, dass bei unkontrollierten Verbrennungen wie zum Beispiel bei Brandereignissen in Industriebetrieben, eine vollkommen unberechenbare Mischung von Schadstoffklassen entstehen kann. Kurz: Ohne eingehende Boden- und Schadstoffanalyse weiß man nicht genaues. Sollte es eine gegeben haben, so sind die Ergebnisse nicht öffentlich bzw. wurden ggf. auf Nachfrage mir nicht mitgeteilt.
Meine Anfrage beim Umweltamt der Stadt Wuppertal lieferte zunächst ein eher unbefriedigendes Ergebnis. Ja, man schätze das Gelände als altlastenverdächtig ein, aber näheres dürfe man mir aus Datenschutzgründen (Schutz des Eigentümers) nicht sagen, ich solle diesen befragen. Denn:
Bei Flächen, die noch nicht als Altlast (bei festgestellter Schutzgutgefährdung) eingestuft sind, verlangt die Untere Bodenschutzbehörde bei Auskünften in der Regel die Zustimmung des Eigentümers.
Wer das ist, könne man mir aber auch nur sagen, wenn ich ein über ein Allgemeines hinausgehende Interesse (Kauf des Grundstücks, unmittelbare Betroffenheit) nachweisen könne. Es soll aber nach Einschätzung der Behörde keine unmittelbare Gefährdung ausgehen, da das Deponiegut mit Boden bedeckt sei (was ja offensichtlich nicht überall der Fall ist).
Was dort von wem deponiert wurde erfuhr ich durch das Amt ebenfalls nicht, dies musste ich aus anderen Quellen selbst recherchieren.
Eine weitere Anfrage bei dem Altlastenreferat des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) ergab, dass ein Gefährdungspotential aufgrund nicht vorhandener oder dort bekannter Bodenanalysen nicht eingeschätzt werden kann und hat mich an das Umweltamt der Stadt zurück verwiesen, das als Untere Bodenschutzbehörde für eine Gefährdungsanalyse zuständig sei.
Aus dritter Quelle habe ich erfahren, dass dem für den Bendahler Bach zuständige Wupperverband keine Kenntnisse über Schadstoffbelastungen vorliegen sollen. Eine direkte Anfrage bestätigte, dass die Deponierung dort nicht bekannt ist.
Im August 2019 fand im Zusammensein mit dem damaligen Oberbürgermeister Andreas Mucke und Vertretern der Stadtverwaltung auf der Bundeshöhe eine Bürgerversammlung zu dem Thema Straßenzustand des Böhler Wegs statt, in der am Rande auch diese Deponie zur Sprache kam. Mein Sohn erwähnte sie bei der Diskussion über Schadstoffe im Straßenplanum des Böhler Wegs in einem kurzem Redebeitrag, was großes unmittelbares Interesse der versammelten Anwohnerschaft und des Plenums erregte.
Ich führte dann in einem weiteren Redebeitrag das Thema detailierter aus und wurde im Anschluss gebeten meine – diese hier – Rechercheergebnisse der Stadt und dem Bürgerverein zur Verfügung zu stellen. Es kam dann tatsächlich rasch Bewegung in die Sache und das Umweltamt meldete sich bei mir und bestätigte sie umfangreich.
Nach der derzeitigen Einschätzung der Behörde aufgrund von vormals stattgefundenen Entnahme von Bodenproben soll von der Deponie aber keine unmittelbare Gefahr ausgehen.
- Literatur: P. J. Fardell, „Toxicity of Plastics and Rubber in Fire“; Band 69 von „RAPRA Technology Limited Shawburry: Rapra review reports“; Smithers Rapra Publishing; 1993, ISBN 1859570011, 9781859570012; S.21f